Es ist Sonntagmorgen. In einer Enzkreisgemeinde bricht während einer kirchlichen Veranstaltung die 69-jährige Magdalena Krämer (Namen geändert) bewusstlos zusammen. Geistesgegenwärtig wählt ihr Nebensitzer Michael Hartmann den Notruf 112. Wenige Sekunden später hat er Stefan Kunzmann, Disponent in der Integrierten Leitstelle Pforzheim-Enzkreis (ILS), am Apparat. Hartmann schildert dem 30-jährigen Berufsfeuerwehrmann die Lage. Dann geht alles ganz schnell. "Ich habe ihm gesagt, dass jemand der Anwesenden prüfen muss, ob die Frau auf Ansprache reagiert und ob sie noch atmet", sagt Kunzmann. "Als eine negative Rückmeldung kam, habe ich damit begonnen, eine Telefonreanimation einzuleiten. Parallel wurden Rettungswagen und Notarzt alarmiert."
Ab jetzt muss Hartmann den Anweisungen aus der ILS exakt folgen. Er bindet als Vermittler die anderen Anwesenden mit ein. Sie legen die Bewusstlose auf den Rücken auf den Boden. "Machen Sie den Oberkörper der Patientin frei. Beginnen Sie in der Brustkorbmitte mit der Herzdruckmassage", weist Kunzmann die Helfer an. Zudem bereitet er sie darauf vor, dass es möglich ist, dass dabei Rippen brechen können, und sie keine Angst vor dem Weitermachen haben sollen. Alle zwei Minuten wechseln sich die Kirchenbesucher mit der Wiederbelebung ab. Der Pfarrer leistet seelsorgerische Unterstützung.
"Die Anwesenden haben das richtig gut gemacht", lobt Kunzmann. Zwischendurch gibt er Hartmann Informationen darüber, wann der Rettungsdienst eintreffen wird, da er diesen per GPS verfolgen kann. Als das Martinshorn hörbar wird, kämpfen die Helfer noch immer ums Leben der Seniorin. "Es ist wichtig, dass man so lange weitermacht, bis die Rettungskräfte auch wirklich beim Patient sind und übernehmen können", sagt der Leitstellendisponent. Kunzmann bedankt sich bei Hartmann für die gute Zusammenarbeit und beendet das Telefonat.
Im Laufe des Tages erfährt er jedoch vom Tod der Dame.
"Auch wenn die örtlichen Bedingungen und die Helfer sehr gut waren, so klappen die Wiederbelebungsversuche nicht immer", sagt der erfahrene Oberbrandmeister. "Zum Beispiel, wenn der Angehörige selbst gebrechlich ist oder der Anrufer den Bewusstlosen nicht auf einen harten, flachen Untergrund hieven kann". In solchen Fällen würden die Disponenten dann andere wichtige Aufgaben verteilen: Nachbarn oder Passanten um Hilfe zu bitten oder die Türe für die Rettungskräfte schon einmal zu öffnen.
Kunzmann hat bereits mehrfach Telefonreanimationen eingeleitet – einmal sogar im Autobahnbereich: Ein Autofahrer merkte, wie ihm plötzlich schlecht wurde. Er schaffte es gerade noch, auf den Seitenstreifen zu steuern, bevor er das Bewusstsein verlor. Aufmerksame Verkehrsteilnehmer hielten an und setzten einen Notruf ab. Kunzmann wies die Ersthelfer an, den Mann über die Beifahrerseite herauszuziehen und sicher in den Grünstreifen hinter die Leitplanke zu bringen. Anschließend folgten die Helfer den Anweisungen des Disponenten und versuchten, den Bewusstlosen wiederzubeleben. "Obwohl sie unsicher waren, haben sie sehr souverän gehandelt", erinnert sich Kunzmann.
Auch wenn er nicht das Umfeld des Notfalls sehen kann, lasse es sich an manchen Tagen kaum vermeiden, dass sich Bilder des Einsatzortes in den Kopf schleichen. "Jeder verarbeitet das anders. Und ich mache keinen Hehl daraus, wenn mir einmal etwas an die Nieren geht", sagt der Disponent. Dann nutzt er die Möglichkeit, an einem Gespräch mit dem Einsatzkräftenachsorgeteam teilzunehmen. Für Angehörige eines Notfallpatienten, Ersthelfer oder Brandopfer gibt es übrigens auch eine Möglichkeit des Beistandes: Das Kriseninterventionsteam des DRK ist über die ILS (Telefon 07231/12940) erreichbar.